Unbedingt agil! Aber bitte nicht agile! – Zaubertrank oder Teufelszeug
Agile hat es geschafft, in der Wahrnehmung als Trendthema hat es eine breite Aufmerksamkeit in vielen großen und mittelständischen Unternehmen erreicht. Als eine Art Zauber soll Agile wirken, alles besser machen und unbedingt Anwendung finden. Zwischenzeitlich haben eine Reihe von Kunden das Thema auf ihre strategische Landkarte gesetzt. Beste Voraussetzungen also, oder?
Leider nicht immer, denn -wie die bekannte juristische Standardantwort sagt: Es kommt darauf an. Es kommt darauf an, wie das Thema verstanden wird. Als Modethema „wir sind jetzt agil“ oder als Transformationsthema „wir lernen agile Prinzipien zu nutzen“.
Wenn Agile als Modethema begriffen wird, dann begegnet mir oft eine Wasch-Mich-Mach-Mich -Nicht-Nass-Verhaltensweise. Agilität wird als Teil einer strategischen Ausrichtung ausgerufen, wird eine kleine Zutat des Projektmanagements und jetzt wird alles agil gemacht. Alle sollen sich bitte jetzt immer agil verhalten (egal ob sinnvoll oder nicht), aber bitte möglichst wenig Aufwand und Veränderung, schließlich kennt jeder im umgangssprachlichen das Wort agil und weiß was es bedeutet.
In welcher Ausprägung und Abstufung dies auch immer geschieht, es bleibt eine unaufgeladene Management-Floskel ohne Committment und aufrichtige Veränderungsbereitschaft. Mich erinnert das an häufige gelebte Visionsbildungsprozesse in Unternehmen. Das Management hat sich eine Unternehmensvision ausgedacht und auf Plakate geschrieben „Wir wachsen um 50% in zwei Jahren“! Agile als Modethema frustriert und ist unternehmerisch schädlich.
Denn Agile macht man nicht – Agile wird man! Agile als Transformationsthema verhält sich hierbei ähnlich einer verändernden Unternehmenskultur, denn auch Kultur kann man nicht mit einem Kultur-Veränderungs-Projekt machen, sondern kulturelle Veränderungen werden ermöglicht, indem man hierfür günstige Bedingungen schafft. Und aus diesem Grund ist Agile zu Allererst eine Frage der Haltung, um hieraus entsprechende Arbeitsweisen zu entwickeln.
Agile braucht die Bereitschaft zur Veränderung, auf allen (Hierarchie-)Ebenen im Gesamtunternehmen. Insbesondere da Hierarchieebenen zunehmend an Bedeutung verlieren. Wer an das Funktionsprinzip von Top-Down Entscheidungen des Managements glaubt oder an der Illusion festhält, das komplexe Vorhaben planbar sind, wird mit Agile scheitern. Zusätzlich zur Veränderungs-Bereitschaft braucht Agile eine Kompetenz in der Anwendung, als verbindliches Prinzip und als beherrschtes Methoden-Set in der Ausführung. Fast immer muss hier ausprobiert werden, welche Methode in welcher Art der Anwendung und für welchen Sachverhalt die besten unternehmerischen Ergebnisse erzeugt. Und weil das nicht immer Scrum oder Kanban ist, ist es vielleicht Scrumban oder etwas anderes, etwas was individuell entwickelt wird. Und damit Agile wirklich gelingt braucht es zu guter Letzt viele weitere Eigenschaften, wie Neugier, eine ausgeprägte Fehlerkultur, unbedingte Transparenz, Teamwork, Diversity, die Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme und vor allem ein konsequentes Dranbleiben und Durchhalten. Agile zu werden ist ein anstrengender, fortwährender Prozess im Unternehmen. Ein Prozess der Spaß macht, ungeahnte Energien freisetzt und aus meiner Sicht die einzige Möglichkeit darstellt, als Unternehmen in der heutigen Dynamik und Komplexität nachhaltig zu bestehen.
Marc Mauermann/ 14.10.2020
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