Vertrieb und Kundengewinnung für B2B-Start-Ups
Vor wenigen Tagen hatten wir die Gelegenheit einen virtuellen Workshop für Start-ups aus dem Mentoring Programm der Venture Villa in Hannover zum Thema „Vertriebskanäle und Kundengewinnung“ zu moderieren und unsere Erfahrungen einfließen zu lassen. Da in diesem Durchgang alle Gründungsvorhaben und Start-Ups auch Unternehmen und Institutionen als Zielgruppe sehen, haben wir uns entschieden, einige der sicherlich auf viele B2B-Gründungen übertragbaren Kernaussagen aus dem Workshop hier zu teilen.
Leider gibt es wie so häufig auch hier kein allgemeingültiges Konzept für die Gestaltung von Vertrieb und Kundengewinnung. Mit den Kernaussagen wollen wir einige ausgewählte Aspekte für die Ausgestaltung in den Frühphasen des Unternehmensaufbaus in den Fokus zu rücken, da hier mindestens ebenso sehr die Weichen für den späteren Erfolg gestellt werden wie durch die Produktentwicklung.
- „Vertrieb ist Service am Kunden“
Häufig steht zu Beginn des Gründungsvorhabens die Darstellung des Produktes und die Frage der Schaffung von Awareness im Vordergrund. Allein das Produkt richtig zu präsentieren, reicht jedoch nicht aus, um Entscheidungen zu beeinflussen. Kunden sind bestens informiert und erwarten ein professionelles Erlebnis und Begleitung im gesamten Lifecycle. Die Ausgestaltung einer serviceorientierten Rolle des Vertriebs im Sinne eines „walk in your customers shoes“-Verständnisses hilft die Bedeutung der vertrieblichen Arbeit für die eigene Unternehmens- und Produktentwicklung herauszustellen. Gleichzeitig formuliert dies einen Anspruch an die Arbeit mit Kunden und die dafür notwendigen Kompetenzen und Ressourcen.
- „Kundengewinnung benötigt Zeit und Budgets“
Ein nicht vorhandener Kunde stellt keine Anforderungen und macht (noch) keine Arbeit. Ressourcen der Kundengewinnung, Zeiteinsatz und Budgets werden daher zu gering eingeschätzt und eingeplant. So begegnen uns dann Aussagen wie „Vertrieb macht bei uns der CEO“ (und das dann im Nebenjob?).
Im Workshop war die Erkenntnis wichtig, dass intern eine ehrliche Einschätzung dazu vorherrschen sollte, ob das Gründerteam über die notwendigen Marktzugänge, Kompetenzen, Interessen und Ressourcen zur Vertriebsarbeit und Kundengewinnung verfügt. Gerade wenn hier zu positive Selbsteinschätzungen oder gar keine getroffen wurden, führt dies leider regelmäßig zu einem bösen Erwachen, wenn sich die erhofften ersten Erfolge nicht einstellen. Es ist daher wichtig festzuhalten, wie, durch wen und in welchem Umfang der Vertrieb in der ersten Phase organisiert werden und ob dies im vorhandenen Team gelingen kann oder ob es eventuell Unterstützung braucht.
- „Pilotkunde vs. Pilotprojekt“
Die Vermarktung der eigenen Produkte und Services beginnt mit der Suche nach den ersten (Pilot) -Kunden. Pilotkunden stellen eine besondere Form der Kundenbeziehung dar. Die Kunden wissen, dass sie als erste kaufen und sind bereit dieses Risiko einzugehen. Sie erwarten dafür vielleicht auch eine besondere Behandlung oder streben einen guten Deal an. Umgekehrt sollten sich Gründer fragen, was sie von den Pilotkunden erwarten. Vielleicht ist zu Beginn weniger der volle Preis wichtig, sondern Zeit für ein detailliertes Feedback, die Nennung als Referenz oder der Test des eigenen Produktes in einer realen Anwendungssituation.
Die Freude über die ersten Verträge ist dann zu Recht groß. Gerade diese ersten Kundenbeziehungen sind wichtige Informationsquellen für die weitere Entwicklung. Gerade deshalb ist es wichtig, diese auch richtig einzuschätzen und daraus Schlüsse zu ziehen. Habe ich einen Pilotkunden gewonnen, der nahe am Standard gekauft hat oder doch eher ein Pilotprojekt mit hohem Anteil an kundenindividuellen Lösungs- und Servicebestandteilen? Was kann ich aus dieser Individualisierung lernen? Stecken hierin die zentralen Features, die meiner Zielgruppe einen Nutzen liefert? Sind diese ersten Erfolge wiederholbar und das Geschäft skalierbar?
- „Ein durchgängiges Kundenerlebnis realisieren“
Mit der Frage der Skalierung wird auch die Vertriebs- und Marketingstrategie in den Blick genommen. Der Aufbau von Awareness, die Betrachtung von Konvertierungsraten, der Vertrieb als Berater und Begleiter im Entscheidungsprozess. Die ganze Aufmerksamkeit liegt auf Vertragsabschlüssen.
Leider wird dabei häufig nicht thematisiert, was passiert eigentlich, wenn der Kunde gekauft hat. Wer hält die Kundenbeziehung, wie funktionieren Auslieferung, Service und Kundeninteraktion. Wie wird Customer Experience in dieser Nachverkaufsphase gestaltet, um nicht vorne etwas zu versprechen, was ich hinten nicht einlösen kann. Zusätzlich bietet diese ganzheitliche Sicht auch zusätzliche Chancen, die Kundenbeziehung über die Leistungsbeziehung hinaus auszugestalten. Weitere Touchpoints schaffen, Feedback erhalten Beschwerden ernst nehmen, Up-/Crossselling-Potenziale definieren, Empfehlungsmarketing – um nur einige der diskutierten Ideen zu teilen.
- „Daten und Automatisierung – Früh mitdenken!“
Die Bandbreite und Komplexität der Aufgaben des Gründerteams ist gerade in der Anfangsphase sehr hoch. Da ist die Versuchung groß, den Start in die Kundengewinnung pragmatisch zu gestalten. Kundenlisten finden sich in Excel, Dokumentationen von Kundengesprächen in Emails, Angebote werden individuell erstellt. Gerade hier ist es wichtig, frühzeitig digitale Potenziale zu nutzen, da durch diesen statischen Ansatz der Datenhaltung und fehlende Automatisierungsmöglichkeiten sonst weitere Komplexität geschaffen wird. In einer frühen Phase hier Zeit zu investieren, verzinst sich nachher mit mehr Zeit für Vertrieb und den Möglichkeiten der Automatisierung von Prozessen. Für junge Unternehmen gibt es attraktive CRM-Angebote, mit denen mit geringem Einsatz und Budgets hierfür eine gute Basis angelegt werden kann, auf der später aufgebaut werden kann, wenn das Unternehmen weiter wächst.
Marius Felzmann / 11.10.2021
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